Interview mit Simon Geraedts

Von Jörg Piesker – PᴀɪɴAᴜᴛʜᴏʀs – 21.02.2020 

Simon Geraedts ist 1984 geboren, hat Germanistik und Anglistik studiert und lebt mit Frau und Hund in der Nähe von Frankfurt am Main. Simon hat als neunjähriger Geschichten von Piraten auf einer Kannibaleninsel verfasst, von denen man heute weiß, dass sie dringend eines Korrektorates bedurft hätten.
Während seines Studiums begann er den Thriller »Die Heilanstalt« zu schreiben, den er 2013 als E-Book veröffentlichte. 2015 erschien »Das Opfermesser« und wurde 2016 mit dem Skoutz Award ausgezeichnet.
Simon Geraedts Thriller sind literarisch hervorragend ausgearbeitete Werke, die sich durch permanenten Spannungsaufbau und kurzweiligen Lesefluss auszeichnen.

Lieber Simon, danke dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst.

Als neunjähriges Kind an Piraten zu denken, ist nachvollziehbar. Aber diese auf einer verlassenen Insel mit Kannibalen anzusiedeln ist schon erstaunlich. Ist dir früh bewusst gewesen, dass du Schriftsteller werden willst?
Mein Grundschullehrer kann bestätigen, dass das schon in der dritten Klasse mein Wunsch gewesen ist. Seit ich lesen und schreiben kann, bringe ich erfundene Geschichten zu Papier. Diese Leidenschaft habe ich mir in meiner ganzen Kindheit und Jugend bis hinein ins Erwachsenenalter bewahrt. Im Abibuch aus dem Jahr 2004 habe ich als Lebensziel “Lockeres Schriftstellerdasein” eingetragen. Heute arbeite ich tatsächlich als Vollzeit-Autor, allerdings ist dieses Dasein bei Weitem nicht so locker, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Wurde deine Gabe zur Dramaturgie bemerkt und gefördert oder musstest du allein darauf kommen?
Schon in der Grundschule und später auch auf dem Gymnasium ist den Lehrern mein schriftstellerisches Talent durchaus aufgefallen. Mit Mathe und Naturwissenschaften stand ich auf Kriegsfuß, aber das Schreiben von Aufsätzen ist mir immer leichtgefallen. Trotzdem wurde ich leider nicht gefördert, weder in meiner Kindheit noch in der Jugend. Das finde ich im Nachhinein sehr schade, denn wenn ich schon in jungen Jahren einen Mentor gehabt hätte, wäre ich heute als Autor mit Sicherheit schon wesentlich weiter. Zum Glück habe ich selbst meinen Weg gefunden, aber anfangs war ich komplett auf mich allein gestellt und musste sogar gegen Widerstände ankämpfen. Obwohl man als Autor heutzutage dank des Selfpublishings nicht einmal mehr auf einen Verlag angewiesen ist, halten viele Leute das Schreiben immer noch für eine brotlose Kunst.

Schreibst du hauptberuflich?
Ja, seit Mitte 2016 schreibe ich in Vollzeit.


Wie kommst du auf die Ideen für deine Romane, was inspiriert dich?
Ideen kommen meistens unverhofft. Meistens fällt mir etwas ein, wenn ich gerade überhaupt nicht bewusst darüber nachdenke, zum Beispiel beim Autofahren, beim Spazieren oder unter der Dusche. Plötzlich kommt mir ein spannendes “Was wäre wenn”-Szenario in den Sinn, das ich dann sofort aufschreibe und weiter ausarbeite. Anfangs ist es nur ein kleiner Funke, der in meinem Magen ein aufgeregtes Kribbeln verursacht. Wenn ich das spüre, weiß ich, dass ich den Faden aufgenommen habe. Dann gilt es, die Idee festzuhalten und daraus einen Plot zu entwickeln. Ideen sind flüchtig und so zerbrechlich wie geblasenes Glas. Wenn man sie nicht sofort einfängt, sind sie wieder weg.


Wie schreibst du, gehst du nach einem festen Plot vor?
Ich entwerfe nur eine grobe Plotskizze, die mir als Fahrplan dient. Ich kenne den Anfang, das Ende und ein paar wichtige Wegmarken. Die Details der Geschichte “entdecke” ich beim Schreiben. Alles bis ins Kleinste am Reißbrett zu entwerfen, wäre mir gar nicht möglich, und selbst wenn, würde ich das nicht wollen. Wenn der Schreibprozess keinerlei Überraschungen bereithielte, würde ich mich furchtbar langweilen.


Hast du feste Schreib-Routinen und Tagesabläufe, wie sehen die aus?
Ja, eine feste Routine ist für mich sehr wichtig. Ich kann nicht “zwischen Tür und Angel” schreiben, sondern brauche Ruhe und viel Zeit am Stück. Ich schreibe immer von 9 bis 16 Uhr und schottete mich in dieser Zeit bestmöglich ab. Jede Form von Ablenkung ist für mich pures Gift. Ich schalte das Handy in den Flugmodus, deaktiviere das WLAN in der Wohnung, setze mir Noise-Cancelling-Kopfhörer auf und lasse eine Playlist mit ruhiger Musik (ohne Gesang) laufen. Das mag ziemlich extrem erscheinen, aber anders schaffe ich es nicht, den kreativen Motor in Gang zu bringen und in meine eigene Welt abzutauchen. Wie manche Autoren es fertigbringen, in einem überfüllten Café oder Zugabteil zu schreiben, ist mir unbegreiflich, haha.


Wie recherchierst du?
Das meiste recherchiere ich übers Internet. Heutzutage findet man ja fast alle Informationen online. Wenn ich am Laptop nicht weiterkomme, frage ich Leute, die auf einem bestimmten Gebiet Experten sind. Bei den Schauplätzen in meinen Romanen lasse ich oft künstlerische Freiheit walten. In einer fiktiven Geschichte muss man meiner Meinung nach nicht eins zu eins die Realität abbilden, auch wenn an sie an realen Orten ansiedelt. Wenn ich es aber einmal genauer wissen will, fahre ich nach Möglichkeit hin und schaue mir einen Ort mit eigenen Augen an. Grundsätzlich lasse ich bei der Recherche aber die Kirche im Dorf und halte es mit Stephen King: “Ich will gerade so viel wissen, dass ich farbenprächtig lügen kann.”


Wie sieht dein Arbeitsplatz aus, was benötigst du zum Schreiben, Software, Hardware, Umgebung?
Tja, auch hier bin ich wohl ziemlich extrem. Auf meinem Schreibtisch findet sich absolut nichts, was ich nicht zum Schreiben brauche. Also in der Regel nur mein Laptop, ein Bildschirm, Tastatur, Maus, Wasserglas und Kaffeetasse. An einem chaotischen Arbeitsplatz könnte ich keinen klaren Gedanken fassen. Mein Schreibprogramm der Wahl ist Papyrus Autor.


Was sind deine Vorhaben für 2020, was das Schreiben anbelangt?
In diesem Jahr möchte ich vier Bücher veröffentlichen. Das erste – “Gottes Zorn” – ist am 20. Januar erschienen, das zweite folgt voraussichtlich genau drei Monate später am 20. April. Das dritte soll Mitte August erscheinen, das vierte kurz vor Weihnachten. Hinzu kommt eine Anthologie mit dem Titel “Buch der bösen Träume”, die ich mit ein paar Kollegen Ende Februar herausbringen werde.


Woran arbeitest du derzeit, was dürfen deine Leser erwarten?
Im Moment arbeite ich am zweiten Band einer Krimireihe. “Gottes Zorn” war der Auftakt, der zweite Band heißt “Teufels Qual” und erscheint voraussichtlich am 20. April.


Bist du überzeugter Selfpublisher oder gibt es Verlage, die dich reizen würden?
Bislang sind alle meine Bücher ohne Verlag erschienen, und es gibt keine Pläne, daran in Zukunft etwas zu ändern. Beim Selfpublishing hat man alles selbst in der Hand, was mir persönlich sehr gefällt. Eine Zusammenarbeit mit einem Verlag schließe ich nicht grundsätzlich aus, aber die Frage ist, ob ein Verlag mir einen echten Mehrwert zum Selfpublishing bieten könnte. Falls ich eines Tages ein Angebot bekomme, würde ich es mir ansehen und dann entscheiden.

Wo bist du geboren und welche Wege bist du bis heute gegangen?
Geboren wurde ich am 18. November 1984 in Viersen. Nach dem Abitur habe ich zehn Semester lang Germanistik und Anglistik an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf studiert und danach in verschiedenen Verlagen gearbeitet. Von 2014 bis 2016 war ich als Arbeitsvermittler in einem Jobcenter tätig, seit Mitte 2016 bin ich Vollzeit-Selfpublisher.

Wie viele Sprachen sprichst du?
Deutsch und Englisch fließend, außerdem ein wenig Französisch und Niederländisch.


Welche Musik hörst du gern?
Alles Mögliche. Von klassischer Musik bis zu modernem Pop. Beim Schreiben höre ich meistens Filmmusik, mit der ich mich in die richtige Stimmung versetze.


Welchen Sport betreibst du?
Lange Jahre habe ich Tennis im Verein und ab und zu Tischtennis und Badminton gespielt. Inzwischen mache ich nur noch Kraftsport und Fitnesstraining.


Bist du tierlieb?
Ja, total. Seit einem halben Jahr habe ich einen süßen Havaneser, den ich um nichts in der Welt mehr hergeben würde.


Kaufst du umweltbewusst ein?
Ja, meine Freundin und ich achten darauf, Plastikmüll zu vermeiden und verzichten auf Kosmetikprodukte, die Mikroplastik enthalten. Außerdem essen wir sehr selten Fleisch.


Wohin verreist du gern?
Dank meiner Eltern bin ich schon viel herumgekommen. Meine Freundin ist ebenfalls sehr reiselustig. Wir waren schon zusammen in Kanada, Südafrika, auf Bali und Mauritius. Dieses Jahr wollen wir nach Japan. An den Wochenenden unternehmen wir gern Ausflüge in Regionen, die wir mit dem Auto erreichen können.


Gibt es ein Land deiner Träume, in dem du gern leben würdest?
Auch wenn hierzulande gern auf hohem Niveau geklagt wird, gehört Deutschland meiner Meinung nach zu den besten Ländern der Erde. Ich sehe also keinen Grund, auszuwandern.


Was ist das Wichtigste, das du gelernt hast?
Respekt und Toleranz gegenüber fremden Kulturen und Weltbildern.


Welches war dein bedrohlichstes Abenteuer?
Mit elf hätte ich beinahe einen Flugzeugabsturz erlebt. Ich war mit meinen Eltern und meinem Bruder im Urlaub in den USA. Kurz nach dem Abflug von Chicago fing ein Triebwerk Feuer. Die Piloten haben die Maschine sofort gewendet und eine Notlandung eingeleitet, die zum Glück erfolgreich war. Natürlich habe ich diese Nahtod-Erfahrung ein paar Tage später zu Papier gebracht mit der Überschrift “Der Fast-Absturz”. 🙂


Wenn man dich auf Facebook verfolgt, gewinnt man den Eindruck, dass du ein Familienmensch bist. Ist das so?
Ja, ich habe ein super Verhältnis zu meinen Eltern und meinem Bruder. Seit meinem Umzug nach Frankfurt sehen wir uns zwar nicht mehr so oft, aber jedes Mal, wenn ich wieder in der alten Heimat bin, werde ich mit offenen Armen empfangen.

Wie wichtig ist Liebe für dich?
Ohne Liebe ist das Leben sinnlos. Was bedeuten Erlebnisse und Erfolge, wenn man sie nicht mit einem geliebten Menschen teilen kann? Kants Philosophie des Glücks fußt nicht umsonst auf diesen drei Säulen: Tu etwas, liebe jemanden, hoffe auf etwas.


Was bedeuten Religion und Philosophie für dich?
Als überzeugter Atheist interessiert mich Religion nur als gesellschaftliches Phänomen. Meiner Meinung nach bräuchte es auf der Welt keine Religionen. Alles, was wir über Ethik, Moral, Zwischenmenschlichkeit, Sinn und Vernunft wissen müssen, können wir aus philosophischen Lehren beziehen.


Schaffst du es, neben der Schreibarbeit Freiräume für die Familie zu schaffen?
Ja. Ich arbeite, wie gesagt, jeden Tag von 9 bis 16 Uhr. Danach bleibt noch genügend Zeit für Freunde und Familie. Darauf lege ich großen Wert. Ich halte es für falsch, alles der Arbeit unterzuordnen.


Bist du gern in Kontakt mit Leserinnen und Lesern?
Auf jeden Fall! Ich freue mich über jede Nachricht, die mich seitens meiner Leserinnen und Leser erreicht, und antwortete so schnell wie möglich.


Was bedeuten dir Rezensionen?
Die sind mir schon wichtig. Positive Rezensionen sind eine schöne Bestätigung der harten Arbeit. Negative Rezensionen helfen mir, mich als Autor zu verbessern, sofern sie konstruktiv sind.


Wer Erfolg hat, hat Neider, wie gehst du mit Neid-Rezensionen um?
Wenn eine Rezension erscheint, die offensichtlich nur dazu dienen soll, mich als Autor zu ärgern, ignoriere ich sie einfach. Mit einem inhaltslosen Verriss disqualifiziert sich der Rezensent ja selbst.


»Gotteszorn« ist am 20. Januar erschienen, erhält hervorragende Rezensionen und ist schon unter den Top-200. Wie bist du auf die Idee dazu gekommen?
Das war eine dieser Ideen, die mir unverhofft zugeflogen sind. Plötzlich hatte ich diesen frustrierten Mann vor Augen, der von seinen Arbeitskollegen ausgenutzt und verhöhnt, von seiner Ehefrau ständig heruntergemacht wird. Ein Mann, der eigentlich nie jemandem etwas Böses wollte, aber die jahrelangen Demütigungen irgendwann nicht mehr erträgt und sich auf einen blutigen Rachefeldzug begibt. Das war eine dieser “Was wäre wenn”-Szenarien, die ich unbedingt weiter ausarbeiten wollte.


Die Lesprobe zu »Gotteszorn« https://lesen.amazon.de/kp/embed?asin=B083SM5NSP&preview=newtab&linkCode=kpe&ref_=cm_sw_r_kb_dp_zB6tEbSVZH55P

Am 28.02. erscheint die Anthologie »Buch der bösen Träume«, in der eine Kurzgeschichte von dir enthalten sein wird. Worum geht es darin?
Meine Kurzgeschichte trägt den Titel “Feuersturm” und knüpft unmittelbar an das offene Ende meines Thrillers “Tödliches Andenken” an. Worum es geht, kann ich also nicht spoilerfrei beantworten. Lesen auf eigene Gefahr. 🙂

Vielen Dank für dieses Interview, lieber Simon, wir wünschen dir viel Erfolg und sind gespannt auf deine Neuerscheinungen in 2020.

Wenn du diesen sympathischen und vielversprechenden Autor auf seinem Weg begleiten möchtest, abonniere seinen Newsletter und bleibe in Kontakt.
Dein »Pain Authors« Team.

Kontakt zu Simon
– E-Mail: simon.geraedts@gmail.com
– Website: https://www.simongeraedts.de/
– Newsletter: https://us9.list-manage.com/subscribe?u=de3ab4c054fe906ce34c2d0c5&id=946f429fe8
– Facebook-Autorenseite: https://www.facebook.com/simon.lichtberg
– Facebook-Autorengruppe: https://www.facebook.com/groups/736152740169111/
– AMAZON-Autorenseite: https://www.amazon.de/Simon-Geraedts/e/B00FS6OWZU

Pin It on Pinterest

Share This